Ich habe mich vor einiger Zeit durchaus erfolgreich als investigativer Journalist versucht. Doch reichte es mir nicht nur normale und alltägliche Korruption und politische Schweinereien aufzudecken. Dies überlasse ich lieber erfahreneren Berufskollegen, die für die einschlägige Presse schreiben. Ich wollte viel lieber über das verrückte und skurrile in dieser Welt berichten. Und so bin ich – nach vielen Recherchen – auf die sowohl idyllisch als auch versteckt am angrenzenden bayrischen Wald gelegenen Nervenheilanstalt für phantastische und fiktionale Wesen des Prof. Dr. Gurgelzahn gestoßen. Nach einigen erfolglosen Anfragen, ob ich eine Reportage über seine Einrichtung führen dürfte, erhielt ich nun endlich die Genehmigung unter der Voraussetzung, daß ich nicht genauer auf die Lage dieses Kuriosums eingehe, damit die Ruhe der Patienten auch weiterhin gewährt bleibt. So konnte ich mich frei in der Anlage bewegen und mit der Erlaubnis des Professors Insassen und Personal interviewen.
Schnell wurde ich auf den vielleicht gefährlichsten Patienten des Professors aufmerksam. Graf Strigoi von Kählenbiß (Name von der Redaktion geändert). Ich wußte ein Interview mit diesem Wesen würde für viel Rummel sorgen, also beschloß ich meine Recherchearbeit bei ihm zu beginnen. Unterstützt wurde ich dabei von meiner charmanten Assistentin Ursula Leihendropp, die seit einiger Zeit ihren Faible für gutaussehende, balsshäutige Blutsauger entdeckt hat. Sie hatte soviel von charmanten und eloquenten Vampirfürsten gelesen, daß sie es kaum erwarten konnte Strigoi kennenzulernen. Allein zu dem Zwecke des Interviews hatte sie sich die Haare neu machen lassen, sich in den letzten Schick der Mode gehüllt und eine so starke Parfümwolke um sich herum aufgebaut, daß man meinen konnte sie wolle jeden Moskito grausam an Sauerstoffentzug verrecken lassen, der sich auch nur annähernd in ihre Nähe wagte. In fiebriger Erwartung auf den großen Vampirfürsten tippelte sie in den Raum, der für dieses Interview präpariert war und preßte ihre Nase ganz eng an die Glasscheibe, die uns vor den gefährlichen Bissen des Vampires schützen sollte. In sanfter Verzückung harrte sie dort, der Dinge die passieren würden.
Um so entsetzter war sie als sich dann die Tür öffnete und auf einem sackkarrenähnlichen Gebilde mit einer zwangsjackenähnlichen Vorrichtung – die ein Scherzkeks in Form eines Fledermausumhanges geschneidert hatte – fixiert unser Interviewpartner in den Raum geschoben wurde. Seine spärlichen schwarzen Haare standen in allen erdenklichen Himmelsrichtungen ab. Sein schädelhaftes weißes Gesicht beherbergte zwei tief in blutunterlaufenden Höhlen verborgene Augen, die manisch gierend nach Opfern ausschau hielten. Über seinen Mund war ein maulkorbartiger Beißschutz angebracht. Erst wehrte er sich heftig, als er von den Pflegern hereingefahren wurde, dann wurde er seltsam ruhig und starrte mit einem Blick, der abgrundtiefen Haß, unmenschliche Kälte und herablassende Überlegenheit in sich vereinte, durch die Glasscheibe ins Leere.
„W... W... W...“ Ursula war der Ohnmacht nah, aber nicht – wie erhofft – durch Verzückung, nein das eiskalte Grauen hatte von ihren Körper Besitz ergriffen.
„Ja?“, fragte der Vampirfürst kalt – sich seiner Wirkung durchaus bewußt – als er seinen Kopf zu ihr drehte und sie mit einem nichts Gutes verheißenden Lächeln zu fixieren begann. Ursula bibberte, fahl wie der Vampir selbst, vor sich hin, unfähig eine Regung zu tun. Es herrschte Stille.
„Du bist also ein Vampir?“, unterbrach ich schließlich die eiseskalte Ruhe.
Strigoi wendete sich mir zu und sprach mit leiser, leicht genüßlicher Stimme: „Ein Vampir? Nein! Ich bin ein Werwolf, das sieht man doch. Allein schon an meiner Körperbehaarung solltet ihr es erkennen. Natürlich bin ich ein Vampir! Was sollte ich denn sonst sein? Gut, gut, wegen meinen spitzen Ohren“, er drehte seine leicht fledermaushaften und damit wirklich leicht spitzen Ohren zu mir, „könnte man natürlich auch sagen bei mir handele es sich um eine albinohafte oder fehlfarbene Elfe mit einem Fehlgebiß. Aber ich bin gewiß kein Baumknutscher. Meinen Mund versenke ich viel Lieber in eine warme Halsschlagader, als das ich ihn mit der Rinde eines Baumes in Kontakt bringen würde. Pfuideibel, all das Moos und die Borke, es würde Stunden dauern dies wieder aus meinen strahlend weißen Zähnen zu puhlen. In der Zeit gönne ich mir doch viel lieber ein heißes Blutbad. Also um nochmals deine spatzenhirnige Frage zu beantworten, du wandelnde Blutkonserve: Ja, ich bin ein Vampir!“
„Ich bin für dich also nichts weiter als eine Blutkonserve?“
„Bei allen Mondkratern, welch unterbelichtetes Hirnzellendefizit hat man mir denn da nur geschickt? Ich habe schon damit gerechnet ein minderbemitteltes Wesen vor mir zu haben. Diesem ´Interview mit einem Vampir´ auch nur zugestimmt um meiner Langeweile zu entkommen! Aber deine geistigen Absonderungen übertreffen wirklich alle meine Erwartungen!“
Blicke der Verachtung trafen mich, durchbohrten mein Gehirn. Kurz rührten sie tief in meinem Inneren und ließen mich verzweifeln, dann riß ich mich von seinem hypnotisch erdrückenden Blick los.
„Wenn du mir so geistig überlegen bist, warum bin ich dann nicht auf der anderen Seite der Glasscheibe? Wieso haben sie dich hierher gebracht?“
„Du willst doch wohl nicht wegen einer kurzzeitigen Schwäche meinerseits mein ganzes Wesen beurteilen, oder?“
„Kurzzeitige Schwäche?“
„Natürlich! Nur wegen dieses kleinen Massakers so einen Aufstand zu machen!“
„Kleines Massaker?“
„Ja“, hauchte der Vampir genervt, „hat man dir denn nichts davon erzählt? Ich habe ein ganzes Dorf ausgerottet. Hast du noch nie irgendetwas von dem Kehlenbacher-Halsbiß-Massaker gehört? Das war ich!“, meinte Strigoi nicht ganz ohne stolz. Dann fuhr er mit einem leicht resignierten Tonfall fort: „Aber die anderen Vampirfürsten fanden in ihrer arroganten Kleinbürgerlichkeit, daß ein solches Massaker viel zu viel Aufmerksamkeit auf eine im Untergrund operierenden Rasse wie den Vampiren lenken könnte. Eine neue Welle der Vampirverfolgung sei nicht in ihrem Sinne. Unsere Art wird schon lange genug gejagt, gepfählt und verbrannt. Sie wollten nicht noch ein weiteres transylvanisches Massaker erleben. Deshalb haben sie mich in ihrer Kleinbürgerlichkeit hier einweisen lassen, diese Spießer!“
„Aber warum... ich meine wieso hast du überhaupt ein solches Massaker begangen?“
„Wegen Twilight natürlich! Seit es diese Missgeburt einer Frauenphantasie und die ganzen Nachahmervampirromanzenblödsinn gibt, wollen die Frauen von mir plötzlich das ich mich anders benehme, kleide und aussehe. 'Du könntest doch einen schönen Rüschenrock tragen oder wie wäre es mit ein wenig Parfüm?' 'Du willst mich beißen und hast mir noch nicht einmal ein Geschenk mitgebracht? Vergiß es!'“, begann er die holde Weiblichkeit nachzuäffen, „'Oh ja, schenk mir die Ewigkeit mit deinem Biß, auf das wir uns in unsterblicher Liebe vereinen!' 'Wie siehst du denn aus? Nein, da warte ich lieber auf einen hübscheren Vampir der mich beißt!' 'Na du kleiner Schnuckiputz, wie wäre es denn mit uns beiden für eine winzigkleine Ewigkeit?' 'Hm, also ganz mein Typ von Vampirfürst bist du ja nicht, aber wenn ich dir bei deiner Kleidung helfen würde... Ja, wir könnten einen ganz neuen Stil für dich kreieren, dann darfst du mich auch beißen, mein kleiner Schnuckipir!' Weißt du was es heißt die ganze Zeit solche Sprüche zu hören? Denken die Frauen inzwischen sie könnten über alles und jeden bestimmen? Ich bin ein furchteinflößendes Wesen der Nacht, ein Dämon der Finsternis, ein blutsaugender Gefährte der Zeit. Ein Freund des Todes und Feind des Menschen und nicht so eine Schwuchtel, die nach der Pfeife von Menschenfrauen zu tanzen hat. Ich bin eine Urgewalt, frei wie der Wind, schwarz wie die Nacht und tödlich wie die Zeit und solch minderwertige Blutkonserven wollen mir befehlen was ich zu tun habe? Nicht mit mir! Ich bin mein eigener Herr! Ich lasse mir nichts vorschreiben von NIEMANDEN! Nun gut, vielleicht habe ich ein wenig überreagiert – ich meine Nobody is perfect -, aber so ein kleiner Fehltritt kann doch mal passieren!“
„Dann bist du also nicht an Frauen interessiert?“, hauchte Ursula enttäuscht.
„An ihrem Blut schon, Schätzchen!“
Ursula ließ den Kopf hängen.
„Ach komm schon nimm´s nicht so schwer“, spottete der Vampir, „bei dir könnte ich schon schwach werden!“
„Ja!?“, fragte sie zaghaft.
„Oh ja!“, schnuppernd und schnüffelnd sog er die Luft um sich ein, „Du riechst so gut!“
„Das ist Channel No. 5!“, Hoffnung und der Anflug eines Lächelns hatte sich auf ihrem Gesicht gebildet.
„Nicht dein Parfüm, teuerste Lebenssaftbeinhalterin, deine Blutgruppe. Null negativ, ein seltener und äußerst köstlicher Genuß!“
Die folgenden Szenen können aus Rücksichtnahme des Geisteszustandes der zartbeseiteten Leser nicht weiter erörtert werden. Jedenfalls wird es wohl noch eine gewisse Zeit dauern, bis mir wieder eine charmante Assistentin zur Seite steht.
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Eine gute und mit shcwarzem Humor beladene Geschichte :)
AntwortenLöschenGr. Raziael
Ich bin bisher bei "Es herrschte Stille", muss aber schonmal etwas schreiben!
AntwortenLöschenMir ist doch ein böses Lachen entfleucht, als die Erwartungen der lieben Assistentin so gemein zerschlagen worden sind. Dieses Stilmittel, eine Erwartung aufzubauen, um dem Leser die Realität richtig ins Gesicht zu schleudern ist klasse, ich les dann mal zu Ende ;)
[...]
und gebe dem Vorredner recht. So viel schwarzer Humor! Klasse :D